Gesellschaftsspiegel

Der so aufsehenerregende und komplexe Fall in Amstetten wirft auch so manche bezeichnende Lichter auf die Denkweise unserer Gesellschaft.
Hier scheint ein Verbrecher am Werk gewesen zu sein, der ein scheinbar perfektes Organisations- und Planungstalent besitzen muss. Sonst hätte er niemals seine Taten über so einen langen Zeitraum verheimlichen können. Es gab zwar schon Hinweise, die ergeben aber erst im Zusammenhang mit dem heutigem Wissensstand Sinn. Vorher deutete nichts direkt auf so ein gigantisches Verbrechen hin.

Abgesehen von der schon im letzten Beitrag angesprochene Medienberichtsgeilheit fallen mir die öffentlichen Analysen inklusive den Schlussfolgerungen zur Verhinderung für ähnliche andere Verbrechen auf. Hier strotzt alles nur so von den üblichen Medien- und Gesellschaftsklischees.

Da ist mal der "Behörden-Reflex"... der Drang die Ämter automatisch als prinzipiell schuldig anzusehen. Ich bin alles andere als ein Behörden-Fan, aber ich gebe ihnen in diesem Falle keine Schuld... ganz im Gegensatz zu den Fällen der vernachlässigten Kindern von Grammastetten, dem Fall Luca und der verhungerten Tochter Nähe Steyr. Der Unterschied besteht darin, dass diese Fälle inklusive deren problematische Umstände dem Jugendamt stets bekannt waren. Fehler in deren System machten die Katastrophen aber dennoch möglich. Hier ist dies nicht der Fall.

Oder der zeitweilige Vorwurf an die Nachbarn, warum diese nichts gemerkt haben. Was hätten diese tun sollen? Heimlich in den Keller einbrechen und nachschauen, weil F. ab und zu Lebensmittel hinein brachte bzw. Geräusche (die aber nicht wirklich eingesperrten Menschen zuordenbar waren) zu hören waren? Soll ich, wenn ich Geräusche aus den Räumlichkeiten meiner Nachbarn höre, ihn fragen, ob er vielleicht jemanden heimlich eingesperrt hat? Oder ihn bei der Polizei anzeigen, wenn er mal mehr Lebensmittel kauft als ich denke dass er sie braucht? Wollen wir wirklich so eine Vernaderungsgesellschaft?


Aber leider blieb auch die Verknüpfung mit dem Lieblingsthema von diversen nationalen und internationalen Journalisten nicht ausgespart ("... ausgerechnet in Amstetten waren doch vor 60 Jahren 2 KZ-Nebenlager, da hat doch damals auch keiner was gewusst... ")
Recht viel blöder geht es wirklich nicht mehr. Das alles wirft ein recht deutliches Licht auf die manipulativen Mediendarstellungen und standardisierten Denkweisen in unserer westlichen Gesellschaft.



Ich denke, dass es solche Fälle immer schon gab und auch immer geben wird, ich frage mich wie viele Menschen jetzt genau in diesem Moment eingesperrt sind (ich meine jetzt "privat" und nicht Guantanamo oder irgendwelche andere Diktaturen-Gefängnissen) und wir haben davon keine Ahnung. Oft werden sie bald befreit, manchmal erst später, manchmal wie in diesem einzigartig bezeichneten Fall erst nach so vielen Jahren... und manchmal gar nie. Die Opfer sterben, werden verscharrt und tauchen nie wieder auf.

Gegenmittel? Gibt es nicht. Vielleicht ist der beste Tipp noch jener, den der Profiler Thomas Müller in der Ö3-Sendung "Frühstück bei mir" gab: "... ab und zu neugierig sein und seinen Hausverstand gebrauchen..."
Also sprach creature
am Montag, 5. Mai 2008, 12:23 wie folgt:

wer denkt schon das sein vermieter oder nachbar 4 menschen in einem kellerverließ einsperrt, allein diesen verdacht zu äußern würde dich als psychopathen abstempeln den die polizei mitleidig ansieht!
die werden dir den tipp geben doch mal einen psychiater aufzusuchen.

PeZwo - 5. Mai, 12:26

yep.

Ohne zwingenden Beweis würde dies wohl passieren.
theswiss - 5. Mai, 12:29

Das wird auch nicht erwartet, denke ich. Im Nachhinein haben sich aber doch einige gemeldet, die was wussten oder ahnten. Und dann einfach wegschauten oder es akzeptierten.
PeZwo - 5. Mai, 12:36

@theswiss

Es mag ihnen ein paar Dinge komisch vorgekommen sein, die aber erst mit dem jetzigen Wissensstand Sinn ergeben.
Ich glaube aber nicht, dass sie geahnt hatten dass da 4 Menschen über Jahre eingesperrt worden sind.
theswiss - 5. Mai, 13:31

@pezwo: Stimmt, das kann man nicht ahnen. Aber es gibt Leute, die andere Dinge wussten. Und nichts sagten.
PeZwo - 5. Mai, 13:45

z.B. ?
theswiss - 5. Mai, 13:56

Z.B. so etwas.
PeZwo - 5. Mai, 14:09

ja, das ist ein Grenzfall.

Das war 1983. Damals war leider die Thematik Inzucht und Kinderschändung in der Familie in unserer Gesellschaft noch nicht so präsent wie jetzt. Möglicherweise hätte damals auch eine Anzeige nichts geholfen.

Heute wäre die "Erfolgschancen" einer Anzeige durch den Nachbarn Gott sei Dank höher als damals... wenn auch natürlich auch heute noch oft genug weggeschaut wird.
flyhigher - 5. Mai, 14:14

1. finde ich es unmöglich, so etwas einem Zeitungsfuzzi zu erzählen.
2. Wenn meine Freundin mir erzählt, sie wurde vergewaltigt, und dies nicht zur Anzeige bringt, würde ich es niemals wagen, diese Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen. Ich hätte meines Erachtens nach auch kein Recht dazu. Das kann nur meine Freundin entscheiden. Ich kann ihr höchstens zureden, dass sie selbst zur Polizei geht.

Und zum Thema "Hinschauen": Ich möchte nicht, dass mein Nachbar mich fragt, was ich denn jeden Tag im Keller zu suchen hab. Es geht ihn schlicht und ergreifend nix an. In so einer Spitzelgesellschaft möcht ich nicht leben. Mir reicht es, dass mein Nachbar genauestens über meine Weggeh- und Heimkommzeiten informiert ist.
steppenhund - 5. Mai, 20:24

@the swiss

Wenn diese Personen heute so überzeugt sind, dass was falsch gelaufen ist, gehören sie eigentlich wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt.
Strafmass 3 Jahre, wenn man den Tod des einen Zwillings als Mord bewertet.
Ich frage mich selbst, ob ich das nicht vielleicht wirklich ernst meine...
PeZwo - 5. Mai, 22:19

es ist noch gar nicht so lange her wo ich einen Beitrag über die "andere Seite" von Anzeige und Beschuldigungen geschrieben habe... wenn man aus zweiter Hand erfährt, dass angeblich die Freundin von einer Freundin vergewaltigt worden ist und nun daraufhin zwecks Anzeige zur Polizei geht... da kann die Suppe schon verdammt dünn werden...
Also sprach flyhigher
am Montag, 5. Mai 2008, 14:08 wie folgt:

Ich bin deiner Meinung. In allen oben genannten Punkten. Punkt.

PeZwo - 5. Mai, 14:14

schade dass du nicht mehr schreibst. Deinen Kommentar zu diesem Thema hätte ich auch gerne gelesen.
flyhigher - 5. Mai, 14:14

s.o.
Also sprach steppenhund
am Montag, 5. Mai 2008, 20:20 wie folgt:

Lieber P2,
da liegst Du ganz falsch. Erstens kann so etwas nur in Österreich passieren. Der Hitler war ja auch von hier. Dann sind die Techniker an sich schon hochverdächtig. Von denen weiß man ja nie, was sie alles anstellen. Und bei den KZs? Können wir uns sicher sein, dass der Herr Josef nicht auch seine Hand oder besser alle viere drinnen gehabt hat, schließlich war er 1938 ja erst 3 Jahre alt. Und dann Amstetten! Mostviertel! ist das nicht eine ganz verlogene Gesellschaft dort, die nicht einmal anständig Wein saufen wie alle anderen Österreicher, sondern schon von vornherein den Most total aussaufen. Woher käme denn sonst der Name?
Dazu kommen jetzt noch ganz unfähige Behörden, die Menschen, die einfach Stahltüren verkaufen und überhaupt eine Schar von Mittätern, die alle geschwiegen haben, bis die Quoten für Fernsehinterviews hinaufgegangen sind.
Von Vernachlässigung kann man allerdings nicht sprechen. Ist ja niemand verhungert, wenn er einmal die ersten Tage nach der Geburt überlebt hat.
Und Gegenmittel gibt es schon. Man muss nur ungefähr 4 000 000 Österreicher, die mit dem Y-Chromosom an die Wand stellen und erschießen. Dann wäre einige Zeit lang ruh und in 16 Jahren könnte man ja den Vorgang wiederholen.
Ich habe allerdings noch nie einen so falschen und unsachlichen Artikel bei dir gelesen. Ich wundere mich etwas...
















:) .. um Missverständnissen vorzubeugen

PeZwo - 5. Mai, 22:07

Auweia, da gehen mit dem Steppenhund wieder die sarkastischen Pferde durch*gg*
Also sprach turntable
am Montag, 5. Mai 2008, 20:32 wie folgt:

bezüglich behörden:
kenne ein ehepaar, welches schon das 2. kind aus dem ausland adoptiert, weil es ihnen in österreich nicht möglich ist. bei diesen
adoptionen selbst sind sie dann noch behördenschikanen ausgesetzt.
anstelle wird fleißig für sos kinderdorf oder sonstige kinderheime gesammelt. oder da darf ein ehepaar einfach 3 mal hintereinander je ein kind aufnehmen, welches auf den stufen mit einem brief vom "christkindl" lag.
oder rufe einfach einmal an bei der polizei und sage du hast etwas beobachtet. da ist dann ganz wer anderer zuständig, denn die herrschaften wollen nicht ausrücken, wenn sie gerade so gemütlich beieinander sitzen.
von nichts kommt nichts.
grüße

PeZwo - 5. Mai, 22:11

Ja, Adoptionen von Nicht-Familienmitgliedern sind sehr streng geregelt... ich tue mir sehr schwer zu beurteilen ob dies zu recht passiert oder nicht. Wer ein Kind aus ehrlichen Motiven adoptieren möchte, empfindet man die Kontrollen sicher als Schikane. Aber man kann sich schnell vorstellen, wie die Schlagzeilen vermutlich lauten wenn irgendein Ehepaar ein adoptiertes Kind zu was auch immer mißbrauchen und die Behörden haben dies genehmigt...

In diesem Falle geschah die Adoptionen "familien-intern", Großeltern haben es da viel leichter. Und WIE sehr familiär dies tatsächlich war, weiß man leider erst jetzt.
turntable - 7. Mai, 20:15

ja sie geschahen familienintern, doch dies wurde damals nur durch briefe bestätigt, sofern ich informiert bin.
"familien-intern" geschehen bei uns vielleicht sogar mehr verbrechen als extern.
habe noch nie mit einem adoptionsfall direkt zu tun gehabt, doch bin der meinung die auflagen sind teilweise zu streng. kinder sind in einer familie besser aufgehoben als in heimen.
grüße

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