Pflichterfüllungen

In den letzten Tagen wurde ich beim Studium der täglichen Nachrichten gleich zwei Mal mit dem Thema "Pflichterfüllung" konfrontiert.

Der BZÖ-Abgeordnete Stefan Petzner wurde wegen der Verletzung des Amtsgeheimnisses zu 38.000 Euro Strafe verurteilt. Er argumentierte, dass er diese Straftat auf Geheiß von Jörg Haider wissentlich auf sich nahm. Na gut. Er wusste, was er tat, konnte die Konsequenzen abschätzen und entschied sich für das, was er als Pflichterfüllung ansah. Korrektes Urteil, Petzner tut mir nicht einen einzigen Millimeter leid.



Ganz anders sieht meine Empfindungswelt bei diesem Urteil aus. Zwei Grundwehrdiener mussten auf Geheiß ihres Vorgesetzten auf einem Truppenplatz im Zuge einer Übung Nebelgranaten zünden. Leider befand sich dieser Ort gleich neben der Autobahn und es kam zu schweren Unfällen mit Todesfolge. Im Zuge dieses Prozesses kam heraus, dass mit dem Zünden der Granaten nicht einmal gegen Vorschriften verstoßen wurde. Den Truppenübungsplatz gab es schon lange und als die Autobahn gebaut wurde, hat niemand die Vorschriften der geänderten Situation angepasst.

Die Strafe für den Oberleutnant kann ich noch verstehen. Er hatte die Verantwortung und hätte die Gefahr erkennen müssen. Es wurden aber leider auch die bedingte Strafe für die beiden Korporäle bestätigt, was ich für ein Fehlurteil halte. Das Gericht war folgender Meinung: "Ein bloßes Sich- Zurückziehen auf Befehle kann ein selbstständiges Denken nicht ersetzen. Auch im Bundesheer muss jeder selbstständig denken."

Das möchte ich sehen, wenn beim Bundesheer ein Vorgesetzter etwas befiehlt und der Grundwehrdiener beginnt selbständig zu Denken und verweigert den Befehl mit der Begründung, dass vielleicht etwas passieren könnte. Er hätte den Arsch offen und kein Mensch würde ihm helfen... und schon gar nicht jene Richter, die jetzt im Nachhinein so großspurig ganz genau wissen, was alles richtig gewesen wäre. Das sind genau jene Momente, wo ich manche Richter als weltfremde, selbstherrliche und bürokratische Arschlöcher ansehe.
Also sprach theswiss
am Donnerstag, 10. März 2011, 09:39 wie folgt:

Da muss ich widersprechen. Am Ende ist es immer der Soldat, der abdrückt oder eben nicht. Die Armee heute ist nicht mehr die Armee unserer Grossväter, man *darf* mitdenken. Ich habe verschiedene Vorgesetzte sauer gemacht, weil ich Befehle hinterfragt (und einige auch verweigert) habe. Das gab auch Konsequenzen für mich, aber wenn ich etwas nicht verantworten kann, dann ist da nichts zu wollen. Auch im Militär darf man sein eigenes Denken nicht abschalten.

Also sprach steppenhund
am Donnerstag, 10. März 2011, 14:23 wie folgt:

Normalerweise kommt man beim Grundwehrdienst nicht bis zum Korporal. Entweder waren das EF oder Reservediener. Von denen müsste man Eigendenken erwarten. Die haben dann auch nichts zu befürchten, wenn sie Bedenken anmelden.
Aber es ist schon eine sehr ambivalente Situation.

Also sprach PeZwo
am Donnerstag, 10. März 2011, 16:21 wie folgt:

@steppenhund + theswiss

Ich sehe das etwas anders.

Natürlich kann man beim Heer über einen Befehl nachdenken und ihn diskutieren. Hat man Glück, dann findet sich ein verständnisvoller Chef und er ändert den Befehl ab. Hat man jedoch Pech und der Vorgesetzte besteht auf die Ausführung, dann sitzt der kleine Befehlsempfänger in einer ausweglosen Falle.

Entweder er führt den Befehl dann doch aus. Dann stellt sich das Problem "wie kann ich im Falle des Falles dem Gericht nachweisen, dass ich Bedenken hatte und gezwungen wurde?" bzw. nutzt so ein Nachweis vor den Richtern überhaupt etwas?

Oder er führt den Befehl nicht aus. Dann tut es ein anderer und (es muss ja nicht immer zu einem Unglück kommen) es passiert dabei nichts. Wie weist er gegenüber seinen Vorgesetzten dann nach, dass er dennoch zurecht den Befehl verweigert hat (ich bin mir sicher, dass dort schon öfters Nebelgranaten gezündet wurden ohne das etwas passierte)?


Der unterste der Befehlsempfängerliste sitzt nach diesem Urteil bei einem "Nein" in jedem Fall in der Kacke. Und das darf nicht sein.

steppenhund - 10. Mär, 16:49

Wenn es um den Untersten geht, stimme ich dir schon zu. Aber ein Korporal ist nicht mehr "der Unterste". mehr wollte ich gar nicht sagen:)
PeZwo - 10. Mär, 19:44

@steppenhund

Jein. Das ist eine Definitionssache.

0 Stern - Rekrut
1 Stern - Gefreiter
2 Stern - Korporal
3 Stern - Zugsführer

und dann beginnt der Unteroffizier.

Meine Definition ist von meiner eigenen Wehrzeit geprägt. Da galten alle unterhalb des Unteroffiziers als "die Untersten".
Also sprach derbaron
am Donnerstag, 10. März 2011, 18:06 wie folgt:

Ich sehe das auch ein bisschen anders. Ich glaube, dass der einzelne Soldat sehr wohl eine Verantwortung hat und diese auch wahrnehmen muss, sonst kann man sich ja auch bei Kriegsverbrechen darauf berufen, dass man seine Pflicht erfüllen musste ...

In dem Fall werden die Soldaten wohl die Gefahr gar nicht richtig eingeschätzt haben, weshalb sie wegen fahrlässiger Handlungen verurteilt worden sind (drum nur eine bedingte Strafe). Hätten sie die Gefahr richtig eingeschätzt, hätten sie sehr wohl die (in dem Fall staatsbürgerliche) Pflicht gehabt, den Befehl zu verweigern.

PeZwo - 10. Mär, 19:48

lt. Artikel ist dies genau der springende Punkt. Die Richter waren der Meinung, dass sie die Gefahr einschätzen und erkennen hätten müssen.
derbaron - 11. Mär, 00:56

Naja, das ist aber auch bei Autounfällen mit Personenschaden so, wenn ich schuldig bin. Dann bin ich auch wegen fahrlässiger Körperverletzung dran ...
PeZwo - 12. Mär, 08:08

ja, schon. Aber stell dir vor, dass du einen Autounfall mit Personenschaden produzierst, indem du bei Rot über eine Kreuzung gefahren bist. Aber dann stellt sich raus, dass du in dem Auto von einem Autostopper gekidnappt worden bist und der Stopper hat dich mit Waffe gezwungen, per Rot drüber zu fahren. Kein Richter würde dich verurteilen.

Ich weiß, ein sehr krasser und völlig übertriebener Vergleich... aber mir fällt auf die Schnelle kein besserer ein ;)
derbaron - 13. Mär, 16:09

Naja, dann wäre ich ja mit dem Leben bedroht, das ist natürlich etwas anderes. Das waren die Bundesheersoldaten ja nicht. Der korrekte Vergleich wäre der, dass ich als zahlender Fahrgast dem Taxifahrer auftrage, zum Flughafen zu rasen und dabei rote Ampeln zu ignorieren. Der Taxifahrer wäre dann natürlich dran.

Also lass dir einen besseren Vergleich einfallen. :P

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