Beziehungssachen(2)

Wir trafen uns kürzlich bei einer kleinen Musikveranstaltung. Ich kenne sie nur flüchtig, über mehr als Smalltalk sind wir in unseren bisherigen paar Begegnungen nicht hinausgekommen. Daher war ich überrascht, wie offen sie plötzlich über persönliche Dinge zu sprechen anfing. Schnell stellte es sich der Grund für ihre Mitteilsamkeit heraus. Ihr Leben befindet sich im Umbruch.

Sie ist zwar noch verheiratet, aber sie trägt konkrete Trennungsgedanken mit sich herum und will ihren Mann verlassen. Da ich auch ihn kenne, interessierten mich die Gründe und fragte vorsichtig und indirekt nach. Aber ich musste mich gar nicht bemühen, sie war sehr mitteilsam. Aber je länger sie sprach, desto mehr begann ich innerlich den Kopf zu schütteln. Ich konnte ihre Gründe nicht nachvollziehen. Es gab keine „Smoking Gun“, er hat sie weder geschlagen, mit anderen Frauen betrogen oder sonst wie hintergangen. Er raucht nicht, trinkt nur sehr selten Alkohol und verdient gut. Menschlich ist er ein offener Charakter und aktiver Mensch, verlässlich, humorvoll und man kann mit ihm gut reden.

Als ich auf all diese positiven Eigenschaften von ihm hinwies, wurden diese von ihr auch gar nicht in Abrede gestellt. Aber mir fiel auf, dass sie diese kaum schätzte. Diese Eigenschaften wurden als normal, sozusagen als „Basics“ betrachtet und waren kaum einer Erwähnung wert. Viel lieber schwärmte sie von ihren Dates mit einem neuen Mann, mit dem alles um so viel anders, neu und aufregend ist. Da kam zum ersten Mal in mir das Gefühl hoch, dass ihr Beziehungsbild vielleicht ein klein wenig engstirnig war und sie trotz ihres Alters von über 40 trotzdem immer noch mit einer gewissen Naivität behaftet ist.
Diese Dinge sind nur am Anfang anders, neu und aufregend. Es ist im Grunde genommen nicht fair, den „altbekannten und langweiligen“ Mann mit einer neuen Bekanntschaft zu vergleichen. Nur weil sie bei dem „Neuen“ (noch) keine Nachteile kennt, heißt dies noch lange nicht, dass es keine gibt. Auch ihr jetzt langweiliger Mann war einmal neu und aufregend. Aber ich verzichtete auf entsprechende Wortmeldungen. Ich beendete unter einem Vorwand die Unterhaltung und wünschte ihr für ihre Zukunft alles Gute.

Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie leichtfertig heutzutage Ehen und Beziehungen aufgelöst werden. Es wird kaum mit dem Partner geredet, man setzt sich mit ihm nicht mehr auseinander und noch weniger wird um die Beziehung gekämpft. Wenn’s nicht mehr passt, wird halt geschieden oder die Beziehung gelöst und Mann oder Frau machen sich erneut auf die Suche nach DEM Traumpartner… aber meistens nur um später festzustellen, dass das Grün auf der anderen Seite des Zaunes um nichts grüner war. Dann wiederholt sich alles wieder von vorne. Dieses Verhalten findet man bei beiden Geschlechter, wobei ich das (natürlich subjektive) Gefühl habe, dass Frauen etwas mehr dazu neigen als Männer.

Vielleicht habe ich Glück und ich kann diese Angelegenheit weiter verfolgen. Es interessiert mich, wie sich ihre jetzt hoch fliegenden Beziehungserwartungen in ein paar Jahren anhören werden.
Also sprach flyhigher
am Mittwoch, 4. Mai 2011, 11:27 wie folgt:

Es sind auch Basics. Das heisst aber nicht, dass man diese Basics nicht ebenso schätzen kann.

PeZwo - 4. Mai, 12:07

Ich würde es so formulieren: es sollten Basics sein.

Tatsächlich kann man viele dieser Basic-Eigenschaften am Anfang einer Beziehung zumeist nicht abschätzen. Man weiß zwar schnell ob jemand raucht oder nicht... aber wie soll man vorher feststellen, ob jemand treu ist? Oder wie sich jemand verhalten wird, wenn der Honeymoon vorbei ist und die Zeiten mal nicht so toll sind?

Da gab's schon oft ein böses Erwachen.
Also sprach nehalennia (Gast)
am Donnerstag, 5. Mai 2011, 00:29 wie folgt:

Frage der Perspektive

... das alles hat wohl mit Erfahrungen, die nun mal als Maßstab für "gut" oder "schlecht" oder "besser" dienen, zu tun. Manche kennen von Anfang an in ihrem Beziehungsleben nur "diese Basics"... und da geht halt immer noch etwas mehr.

Andere hingegen betrachten diese "basics" als den Himmel auf Erden, weil sie diese vorher nie kannten.

Ich für meinen Teil stellte fest: ich habe zu wenig bislang erwartet und empfinde meinen jetzigen Partner als den Märchenprinzen, an den ich nie geglaubt hatte....

PeZwo - 5. Mai, 06:15

gute Analyse. Den Eindruck hatte ich auch und es dürfte ziemlich hinkommen.

Die bisherigen Erfahrungen und die daraus resultierende Erwartungshaltung spielt dabei tatsächlich eine große Rolle. Das klingt jetzt fast ein wenig brutal, aber vielleicht muss sie mal etwas auf die Schnauze fallen um den Wert von den "basics" neu bewerten zu können.
Also sprach steppenhund
am Donnerstag, 5. Mai 2011, 01:28 wie folgt:

Die Darstellung gefällt mir gut. Irgendwie sieht das wie eine Midlife-Krise mit Selbstverwirklichungscharakter aus. Man kann ihr wünschen, dass Sie rasch erwacht und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehrt.
Andernfalls wird sie wohl nie mehr auf Mitgefühl oder Verständnis hoffen können. Man wird sie einfach für dumm halten...

PeZwo - 5. Mai, 06:19

ja, Midlife-Crisis ist denkbar und Selbstverwirklichungsbestrebungen (sinngemäß "ich bin eine starke Frau, ich nehme jetzt mein Leben selbst in die Hand") waren auch erkennbar.

Mir fallen dazu Worte des von mir sehr geschätzten Kabarettisten Vince Ebert ein: "weil wir nicht wissen was wir haben, fragen wir uns ständig was uns fehlt".
Also sprach Finchen1976
am Donnerstag, 5. Mai 2011, 08:26 wie folgt:

Der Steppenhund hat es trefflich formuliert.

Ich verstehe solche Menschen auch nicht.
Und auch die Schnelllebigkeit in dieser Angelegenheit nicht.
SO wird keine Beziehung, geschweigedenn Ehe länger halten...

Schade.

PS: ICH empfinde es andersherum: die Frauen kämpfen mehr um die Beziehungen als die Männer, geben sich auch mehr Mühe. Männer sind da eher phlegmatischer, merken vielleicht nicht die kleinen, aber feinen Anzeichen des Bruches. Leben so in den Tag hinein. Das lässt viele Frauen sich vielleicht ungeliebt fühlen oder so.
Dabei sollte man einfach nur reden...

Appell an die Frauen: Tacheless reden. Unbedingt. Keiner kann raten, wie der andere denkt.

PeZwo - 5. Mai, 12:59

Der letzte Absatz gehört ganz groß ausgedruckt.
Also sprach Shaima
am Donnerstag, 5. Mai 2011, 09:56 wie folgt:

Basics... - angenehm. Aber das allein ist, zumindest wenn es nach meinen Bedürfnissen geht, noch kein Garant für eine lebendige Beziehung. Vielleicht gab es zu wenig Reibungspunkte und Unzufriedenheiten? Ich beispielsweise brauche solche Herausforderungen durch den Partner, die das Feuer immer wieder neu entfachen. Ich will mit "ihm" nicht nur gut reden können, sondern auch konstruktiv streiten. Streiten, weil eben nicht alles ideal ist. Oder vielleicht, weil etwas noch veränderungswürdig ist, wir das gemeinsam anpacken können. Basics entstehen und vergehen lassen, um zu neuen zu finden. Immer wieder neu zusammenfinden.

PeZwo - 5. Mai, 13:05

Ich kann nichts genaues sagen, weil ich beide zu wenig kenne.

Aber ich würde gefühlsmäßig darauf tippen, dass in der Beziehung zu wenig über die eigene Beziehung geredet wurde. Zu viel für selbstverständlich genommen, zu viel in sich hinein gefressen... das Bewusstsein dafür, dass eine Beziehung kein emotionales Perpetuum Mobile ist sondern einer ständigen Pflege bedarf, hat gefehlt.
Finchen1976 - 5. Mai, 15:02

Ich glaube auch einfach, dass Beziehungen JEGLICHER Art gepflegt werden müssen.
Und Freundschaften dauern länger, weil man einfach auch weniger Erwartungen/Ansprüche oder sonstwas hat, weil da viel mehr Toleranz ist, als in Partnerschaften.
Und Freunde sagen sich schneller, wenn etwas nicht stimmt...
PeZwo - 5. Mai, 15:32

@finchen

Ich kann dir nur zustimmen.

Freundschaften sind nicht so vielschichtig. Die Erwartungshaltungen sind geringer, üblicherweise fällt das Thema Sex weg, es müssen weniger gemeinsame Entscheidungen getroffen werden.



Es gibt noch einen weiteren, noch nicht zur Sprache gekommenen Faktor:

Ich schrieb bereits einmal in einem früheren Beitrag: 50% einer Beziehung ist man immer selbst. Dies bedeutet, dass man nicht nur von seinem Partner Änderungen erwarten darf. Man muss auch sich selbst kritisch betrachten und genau damit haben viele Menschen Schwierigkeiten. Bevor sie dies tun, gehen sie lieber den einfachen Weg und beenden die Beziehung.



Nichts auf der Welt ist dem Menschen mehr zuwider, als den Weg zu gehen, der ihn zu sich selber führt.

Hermann Hesse
Finchen1976 - 5. Mai, 15:51

Da hast Du recht. Gar keine Frage.

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