Wie verrückt sind wir?(2)

Letzte Woche war der erste Teil, vorhin war der zweite Teil inklusive Auflösung des Experimentes der BBC-Exklusivdokumentation.

Die Psychologen erkannten als nächstes jene Person, bei der einmal Essstörungen diagnostiziert wurden. Da sah es noch ganz gut aus. Aber dann waren alle Tests vorüber und sie mussten die letzten 3 Personen mit den dazugehörigen Störungen benennen.

Als erstes holten sie sich jene Frau, die sie in der ersten Folge fälschlich als gesund bezeichnet hatten und diagnostizierten die bipolare Störung (weil bei dieser Erkrankung die Betroffenen zwischen den Krankheitsschüben sehr normal wirken können). Das war wieder falsch und sie waren sogar sehr überrascht als sich die Frau als Depressiv outete. Die Ärzte hatten nicht den geringsten Verdacht in diese Richtung... sie hatten die Frau ja noch am ehesten als Gesunde bezeichnet, weil sie so überlegt und stabil wirkte.

Und die nächsten beiden Damen, von denen die Psychologen jeweils eine Störung annahm, schüttelten leicht lächelnd den Kopf... bei ihnen wurde noch nie eine psychische Erkrankung diagnostiziert. Danach outeten sich die wirklich Erkrankten.

Bei dem Patienten mit der Sozialphobie (er ist sehr schüchtern und fühlt sich unter Menschen nicht wohl) kam auch das große Erstaunen auf. Sie hatten ihn nie auf der Liste der möglichen Kranken. Im Rückblick sah man, dass er sich bei allen Tests auch in der Tat völlig normal verhalten hat.

Jener Patient jedoch, der unter der bipolaren Störung (manisch/depressiv, extreme Stimmungsschwankungen, Selbstverletzungen) leidet, galt eine Zeit lang als potentieller Kandidat und wurde erst bei den letzten Tests von der Liste wieder entfernt.

Dies ergab eine Trefferquote von 50%. 2 erkannt, 2 gar nicht erkannt und bei einem gab es einen Verdacht. Das klingt nicht gerade gut. Aber man muss den Ärzten zugute halten, dass sie zu den Probanden kaum persönlichen Kontakt hatten und fast ausschließlich nur die Fernsehaufnahmen der Tests zur Verfügung hatten. Außerdem war der Zeitraum von einer Woche eher kurz und die Testpersonen gaben zu, dass sie ihre Erkrankungen so gut wie möglich verstecken wollten.

In Summe sah man wie eng an der Oberfläche der Grat zwischen "normal" und "psychisch krank" ist. Am meisten beeindruckend für mich war, dass sich die "Kranken" selbst viel schlechter beurteilten und hocherfreut waren, von 3 psychiatrisch ausgebildeten Fachärzten nicht erkannt worden zu sein. Dies lässt den möglichen Schluss zu, dass die Kenntnis bzw. Diagnose der eigenen Krankheit zu einer Art selbsterfüllenden Prophezeihung werden kann.
Also sprach flyhigher
am Donnerstag, 5. März 2009, 07:56 wie folgt:

Dass psychische Erkrankungen von "Außenstehenden", selbst wenn es Ärzte sind, nur schwer erkennbar sind, ist für mich logisch. Schließlich handelt es sich um keinen offenen Bruch. Und bspw. eine Depression ist nicht einfach nachweisbar.
Mit der selbsterfüllenden Prophezeihung hast du vielleicht recht, andererseits kennen diese Ärzte wesentlich schlimmere psychische Erkrankungen wie bspw. schwere Psychosen, sodass für sie die Erkrankung derer, die sie hier zu beurteilen hatten, vielleicht nicht so schwerwiegend gesehen haben als der Patient selbst (der ja schließlich jeden Tag mit seiner Krankheit leben muss...).
Ich weiss, gewagte Theorie...

PeZwo - 5. Mär, 08:50

Ich glaube, dass die mangelnde Selbsteinschätzung grundsätzlich ein Teil der Symptome von psychischen Erkrankungen ist. Es kommt immer wieder vor, dass jemand, der schon längst dringend in Behandlung sein sollte, völlig davon überzeugt ganz "normal" zu sein. Der gleiche Mechanismus spielt sich vermutlich auch in der anderen Richtung ab.
david ramirer - 5. Mär, 09:06

...andere richtung: da ist was dran. denn sehr viele, die meinen, psychisch krank zu sein, sind in wirklichkeit ganz normal.

psychologie wird als zweig der wissenschaft definitiv überschätzt. meine meinung.
PeZwo - 5. Mär, 09:18

Nein, nicht überschätzt. Die Erwartungen und Anforderungen sind nur zu hoch.

Medizin ist generell keine exakte Wissenschaft und in der Psychologie trifft dies noch viel mehr zu. Psychiater müssen immer wieder Einschätzungen treffen (z.b. bei der Freilassung von straffällig gewordenen Kranken), von denen wir eine nahezu 100%-ige Sicherheit verlangen... die es aber nie geben kann und wird.
david ramirer - 5. Mär, 11:30

doch, doch: überschätzt.

die psychologie ist in ihrer methodik viel zu diffus und verschwommen, es tut sich ein unfassbarer wildwuchs an unterschiedlichen methoden, schulen, auffassungen und sich oft krass widersprechender meinungen auf. die "gutachten" von psychologen haben daher oft den wert von horoskopen (die ja auch sehr überschätzt werden).

dafür, dass die psychologie derart vage, unsicher und uferlos ist, kommt ihr eindeutig eine viel zu hohe bedeutung zu. ich spreche hier nicht von krassen fällen, die auch strafrechtlich relevant sind, wo auch ohne viel psychologischer bildung festgestellt werden kann, dass (und oft auch: was) etwas nicht stimmt.
psychologie hat einen viel zu hohen stellenwert bei vielen menschen, die sich von dieser "wissenschaft" antworten auf alltägliche fragen erhoffen und lösungen erwarten, die es nicht gibt.

in zu vielen fällen ist psychologie nur die versprochene (aber nicht eingehaltene) heilung einer krankheit, die sie selbst hervorruft.
PeZwo - 5. Mär, 11:55

ich sehe es zwar nicht ganz so krass wie du... aber im Prinzip hast du nicht unrecht.

Für mich ist es weniger die Psychologie an sich das Problem als vielmehr die Erwartung an sie. Gutachten werden aus Kostengründen und/oder wegen der massiven Anforderungen oft unter großem Zeitdruck erstellt und damit steigt auch entsprechend die Fehlerrate. Dies und noch andere Gründe führen zu den von dir zu recht angeprangerten Missständen.

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